350 Jahre Hebräischunterricht an
höheren Schulen in Chemnitz
(1670 - 2020)
In Phillipp Melanchthons „Unterricht der Visitatoren
an die Pfarrherren im Kurfürstentum Sachsen“
(Wittenberg 1527) lesen wir:
„Erstlich sollen die Schulmeister Fleiß ankehren, daß
sie die Kinder allein lateinisch lehren, nicht deutsch,
oder griechisch und hebräisch, wie Etliche bisher
gethan, die armen Kinder mit solcher
Mannichfaltigkeit beschweren, die nicht allein
unfruchtbar, sondern auch schädlich ist. Man stehet
auch, daß solche Schulmeister nicht der Kinder Nutz
bedenken, sondern um ihres Ruhmes willen so viel
Sprachen vornehmen.“
Aus beurkundeten Unstimmigkeiten zwischen dem
Chemnitzer Rat und dem Pfarrer der Jakobikirche
wissen wir, dass im Jahre 1399 in Chemnitz die
Lateinschule schon existierte.
Im Jahr 1485 begegnet uns der aus heutiger Sicht
erste namentlich bekannte Rektor Paulus Niavis
(Schneevogel), dessen fiktive und dennoch für ein Bild
jener Zeit äußerst bedeutsame Schülerdialoge 2013 in
einer lateinisch-deutschen Ausgabe vom
Schlossbergmuseum Chemnitz herausgegeben
wurden.
In seine Zeit fällt ein Neubau der inzwischen etwa 600
Schüler zählenden Schule. Das 1598 datierte Portal
dieser Schule wurde beim Abriss erhalten und in das
an dieser Stelle errichtete neue Rathaus eingebaut, wo
es heute noch am Rand des Jakobikirchplatzes
besichtigt werden kann.
Erstmalige Erwähnung von
Hebräischunterricht
Für die nächsten knapp 200 Jahre ist in Chemnitz noch
kein Hebräischunterricht nachweisbar. Es scheint, als
hätten sich (nachdem die Reformation Chemnitz
erreicht hatte) auch die „neuen“ Rektoren der
Lateinschule an obige Empfehlung Melanchthons
gehalten.
In einem überlieferten „Lektionsplan des Chemnitzer
Lyceums“ lesen wir für das Jahr 1670 erstmals von
Hebräischunterricht durch den damaligen Rektor
Engel.
Für die folgenden zwei Jahrhunderte gibt es
detaillierte Überlieferungen, zusammengefasst in den
Jahrbüchern des Chemnitzer Geschichtsvereins gegen
Ende des 19. Jahrhunderts. Darin werden Aussagen
über die verwendete Literatur, die unterrichtenden
Lehrer und die Zahl, teilweise auch die Namen der
Schüler, getroffen.
Von der Gründung des „Königlichen
Gymnasiums zu Chemnitz“
bis zur NS-Zeit
Nach der Schließung der Lateinschule wurde 1868 ein
„Königliches Gymnasium zu Chemnitz“ gegründet.
1871 erfolgte ein Neubau in der Hohen Straße, das
heutige Karl-Schmidt-Rottluff-Gymnasium. In dessen
jährlich erscheinendem Programm finden wir
Angaben zum Hebräischunterricht.
Letzter nachweisbarer Lehrer ist Herr Eulitz,
mindestens bis 1935. Seine noch heute bekannten
Schüler hießen damals bis zum Schulverweis 1931
Helmut Flieg (Stefan Heym) und bis 1933 Stephan
Hermlin.
1936 fehlt der Eintrag zum Hebräischunterricht im
Jahresbericht. Am 26.01.1937 trat die „Sächsische
Verordnung zur Neuordnung des gymnasialen
Unterrichts“ in Kraft.
Diese sah keinen Hebräischunterricht am Gymnasium
mehr vor.
1991 - Wiederaufnahme des
Hebräischunterrichts in Chemnitz
Von 1937 bis 1991 gab es keinen Hebräischunterricht
in Chemnitz.
Am 1. Oktober 1991 wurde der Unterricht am oben
genannten Gymnasium, das damals den Namen
„Hohe Straße“ trug, wieder aufgenommen. Seitdem
wird in Chemnitz ohne Unterbrechung
schulübergreifend Hebräischunterricht angeboten
(zunächst wechselnd an verschiedenen Chemnitzer
Gymnasien, inzwischen dauerhaft am Georgius-
Agricola-Gymnasium).
Im Anschluss an den 3 Jahre dauernden Kurs besteht
die Möglichkeit zur Ablegung der staatlichen
Abiturergänzungsprüfung „Hebraicum“.
1996 wurde in Chemnitz das erste Hebraicum an
einem sächsischem Gymnasium nach 1937 wieder
abgelegt.
Auf Grundlage der „Verordnung des Sächsischen
Staatsministeriums für Kultus über allgemeinbildende
Gymnasien und die Abiturprüfung im Freistaat
Sachsen“ ist dies nun wieder dauerhaft und
regelmäßig möglich.
Zur Geschichte des
Unterrichts
Der Jakobikirchplatz mit der ungefähren Lage der
Chemnitzer Lateinschule
Buchcover der Ausgabe
des Schlossbergmuseums
Chemnitz
Portal der alten Chemnitzer Lateinschule
Lektionsplan des Chemnitzer Lyceums
Erster Anstellungs-Vertrag von Daniel Naumann,
1991
Hebräischunterricht
in Sachsen